Ich empfange eine Frau im Heartwings-Nagelstudio. Sie ist zum ersten Mal bei uns. Die Rumänin ist 22 Jahre alt und Mutter eines fünfjährigen Kindes. Sie erzählt mir, wie es ihr geht, und sagt: «Prostitution ist grosse Scheisse.» Ich schaue ihr in die Augen. In wie viele Gesichter junger Frauen, die Tag für Tag von Männern sexuell benutzt werden, habe ich allein in dieser Woche schon geblickt? Auch in den Augen der Rumänin sehe ich diese Mischung aus Verzweiflung und Trotz. Ich spüre, wie mich Hoffnungslosigkeit erfasst. Wie kommt sie da wieder raus? Können ihr Körper und ihre Seele jemals wieder gesund werden? Ich weiss doch, wie schmerzvoll und mühselig der Weg aus dem Milieu ist.
Ich konzentriere mich auf ihre Nägel. Zwinge mich dann aber doch, wieder aufzuschauen und ihr ins Gesicht zu blicken. Jetzt sehe ich sie, sehe eine Frau in ihrer Einzigartigkeit – Mia! Ich sehe jetzt, wie wunderschön Mia ist. Ich spüre, dass da so viel Zukunft ist. Für Hoffnungslosigkeit gibt es keinen Platz. «Du bist für anderes bestimmt, Mia,» sage ich zu ihr. Mia flüstert: «Danke.»
Im Milieu ist viel Hoffnungslosigkeit. Manchmal will diese Hoffnungslosigkeit auch uns überrollen. Wir kämpfen dagegen an. Weil wir glauben, dass es für jede Frau eine gute Zukunft gibt. Und wenn die Frau selbst das noch nicht sehen kann, wollen wir die Hoffnung wie eine Kerze vor ihr hertragen. So lange, bis wir wieder das Funkeln in ihren Augen sehen.